Zukunft braucht Herkunft.

Zukunft braucht Herkunft.

Die Geschwister Tanja und Marc Baumann über den Generationswandel, die Tradition und Zukunft bei Baumann.

Um zu verstehen, an welchem Punkt ihr heute seid, fangen wir vorne an: Wie hat sich euer Unternehmen über die vielen Jahre bis heute entwickelt? 

Marc Baumann: Ursprünglich waren wir mit der Gründung durch unseren Urgroßvater im Jahr 1928 eine klassische Wein- und Sektkellerei. Unser Großvater und Vater haben dann über die Jahre zusätzliche Geschäftsfelder erschlossen, wie z. B. die Versektung und Verperlung für andere Weingüter und Genossenschaften oder unsere Dienstleistung der Sekt- und Wein- Eigenmarken mit individuellen Serviceleistungen. Mit über 17.000 Eigenmarken sind wir in diesem Bereich inzwischen Marktführer in Deutschland geworden. Dazu haben wir in jüngster Vergangenheit noch das Geschäftsfeld des Imports und Handels mit von uns ausgewählten Weinen, Spirituosen und Schaumweinen aus über 12 Ländern etabliert. So können wir unseren Kund*innen bei Baumann Welt der Weine ein 360° Portfolio bei der Auswahl der Produkte anbieten.

„Tradition ist für uns sehr wichtig und wir halten sehr daran fest – versuchen gleichzeitig aber auch, Moderne mit reinzubringen.“

Von Schloss Affaltrach zu Baumann Welt der Weine. Was ist der Grund für die Einführung der neuen Dachmarke? 

Marc Baumann: Im Endeffekt ist diese Umstrukturierung die Folge unseres Wachstums in den letzten Jahren. In der Vergangenheit sind alle Geschäftsfelder historisch gewachsen und waren so automatisch unter der Dachmarke Schloss Affaltrach vereint. Die Herausforderung dabei ist: Schloss Affaltrach ist eigentlich unsere Produktwelt, die inhaltlich mit der Herstellung von württembergischen Weinen und Sekten verbunden wird. Dies hat oftmals zu Irritationen bei unseren Kund*innen geführt. Weshalb verkauft ein württembergisches Weingut italienischen Rotwein? Oder auch in Bezug auf die Preispolitik – weshalb können preiswerte und sehr hochpreisige Produkte gleichzeitig angeboten werden? Dies war der gedankliche Ausgangspunkt, um die neue Dachmarke Baumann Welt der Weine zu implementieren. Damit schaffen wir mehr Klarheit über die Firmenstruktur sowie die Möglichkeiten, in verschiedenen Bereichen mit uns zu arbeiten. Die Devise lautet: “Alles aus einer Hand.” Vom Import kuratierter Spezialitäten über die Herstellung von Eigenmarken bis hin zu unserer über Jahrzehnte entwickelten Produktpalette von Weinen, Spirituosen und Sekten für jeden Anlass und jede Zielgruppe.

Was verbindet ihr mit dem Wort Tradition? Wie lebt ihr das bei euch im Unternehmen?

Tanja Baumann: Tradition ist für uns sehr wichtig, gleichzeitig sind wir darauf bedacht, auch die Moderne zu integrieren. Ein gutes Beispiel für Tradition ist unsere Eiswein-Produktion. Unser Großvater hat seinerzeit als erster Produzent in Deutschland damit begonnen, in größerem Umfang Strohweine, Beeren- und Trockenbeerenauslese sowie Eisweine zu produzieren. In den 70er Jahren stellte er dann einen Mostgewichtsrekord mit einer Trollinger-Eisweinlese auf, der bis heute nicht übertroffen wurde. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir an dieser Tradition auch weiterhin festhalten. Marc Baumann: Tradition gibt das Thema Weinbau an sich ja schon her. Das Handwerk in seinen Ursprüngen, die Mechanismen, die es schon Jahrhunderte lang gibt. Hier in Affaltrach findet sich der Weinbau schon seit dem Jahr 1210. Es ist wichtig, dass wir als jüngste Generation nicht alles auf den Kopf stellen, sondern auf der Basis der Tradition aufbauen. Wahre Tradition will erworben und bewahrt sein. Dies ist eine Erkenntnis, die in besonderem Maße auf den Wein anwendbar ist. Es gibt Werte, die sind so beständig, dass es sich lohnt, sie über Generationen zu erhalten. 

Wenn ihr sagt, ihr bringt auch die Moderne mit ins Unternehmen, was genau kann man sich darunter vorstellen?

Tanja Baumann: Ein gutes Beispiel ist unser Weingut Dr. Baumann – das als unser eigenes Familienweingut die Tradition schlechthin verkörpert. Zum Teil folgen wir alten Traditionen, gleichzeitig experimentieren wir hier viel. 2017 habe ich z. B. ein Steinfass aus Granit angeschafft und lasse seither verschiedene Rebsorten im Granitblock reifen. Hierbei geht es dann um die Thematik der Mineralität: Je länger der Wein darin lagert, desto mineralischer wird er. Wir sammeln so unsere eigenen Erfahrungen. Marc Baumann: Es ist schön für uns, eine Spielwiese zu haben, auf der wir uns regelrecht austoben können. Dinge, die sehr gut funktionieren, können wir dann auch einfach übernehmen in andere Markenwelten. Und auch für unser Team ist dieser Raum für Experimente etwas Großartiges – es gibt selten Betriebe, in denen man sich selbst so viel einbringen und ausprobieren kann. Selbst wenn nicht alles gelingt – dies gehört auch dazu und ist ein wichtiger Teil des Lernprozesses.

War es für euch persönlich schon immer klar, dass ihr das Unternehmen übernehmen würdet? Wie war der Weg für euch, um heute da zu sein, wo ihr jetzt steht?

Tanja Baumann: Unser Vater hat sich dies sehr gut überlegt: Er hat uns schon in jungen Jahren mit auf den Weg gegeben, eine breite und fundierte Ausbildung zu wählen und den Eintritt in das elterliche Unternehmen zu hinterfragen. Und ja, das, was die Eltern sagen, was man nicht tun soll, sorgt ja nur umso mehr für den Reiz, es doch zu tun. Nachdem ich die Bankausbildung absolviert hatte, wollte ich sofort mit dem Weinbaustudium beginnen, unser Vater hat jedoch davon abgeraten. Ich habe deshalb das allgemeine BWL-Studium gewählt, Marc absolvierte sein Masterstudium in Controlling & International Finance und wechselte im Anschluss zu Porsche. Nach dem Studium habe ich bei Unilever im Bereich Key Account gearbeitet. So konnten wir beide andere Branchen kennenlernen und einen ganz unterschiedlichen Input bekommen. Nach meiner Tätigkeit bei Unilever folgte die Ausbildung zur Sommelière, die meine Leidenschaft für Wein und Sekt endgültig entfacht hat.

„Wir möchten die Familientradition weiterführen – vor allem erfolgreich weiterführen. Um den Generationen davor, die das Ganze aufgebaut haben, auch gerecht zu werden. Das ist der größte Ansporn für uns.“

Marc Baumann: Bei mir war es nicht immer so klar. Wenn man jung ist, sagt man das schon mal schnell - „Klar übernehme ich das später.“ Mit zunehmendem Alter wird einem dann aber bewusst, was für eine große soziale Verantwortung den Mitarbeitern*innen gegenüber an dieser Geschäftsführerposition hängt. Gleichzeitig ist es natürlich auch ein Privileg – die Entfaltungsmöglichkeiten, die wir hier haben und vorfinden, werden wir anderswo nicht erfahren. Ich kam zu der Erkenntnis: Das ist die Aufgabe meines Lebens. Schließlich möchte man ja die Familientradition weiterführen und vor allem erfolgreich weiterführen, um den Generationen davor, die das Ganze aufgebaut haben, auch gerecht zu werden.

Was war in den vergangenen Jahren die größte Herausforderung?

Marc Baumann: Die externen Herausforderungen haben in den letzten Jahren verstärkt zugenommen. Zum einen der Drang zur Digitalisierung, was für Familienbetriebe in unserer Größenordnung sowohl ein finanzielles Thema als auch eine enorme Umstrukturierung in internen Abläufen bedeutet. Dann kam Corona, und unsere treuen Gastronomie- und Hotellerie- Kund*innen hat die Pandemie schwer getroffen, was natürlich auch uns getroffen hat. Die Energiekrise im Anschluss hat dann für exorbitante Kostensteigerungen eines niemals bekannten Ausmaßes gesorgt. Im Nachhinein muss ich feststellen: Wenn man seine Hausaufgaben macht, immer am Ball bleibt und sich intern gut aufstellt, lassen sich die größten Krisen überwinden und man kommt sogar noch gestärkt aus solch einer Entwicklung heraus. Um nur ein Beispiel zu nennen: Mittlerweile decken wir 95 % unseres Energiebedarfs selbst durch erneuerbare Energien.

Tanja Baumann: Eine große Herausforderung für mich war der familieninterne Generationswechsel. Die unternehmerischen Entscheidungen wurden mit Beginn unserer Tätigkeit im Familienbetrieb nicht mehr ausschließlich von unserem Vater, sondern von uns allen getroffen. Dafür war ein erhöhter Kommunikationsbedarf vonnöten. Marc Baumann: Wir haben das Privileg, auf einer gesunden Basis aufzubauen, die wir stetig weiterentwickeln und in die heutige Zeit transformieren wollen. Bei vielen Unternehmen zeigt sich, dass sie diesen Wandel nicht mehr beschreiten können – und genau das wollen wir eben verhindern. Wir verlassen ausgetretene Pfade und entdecken neue, weil das Neue uns reizt. Diese Neugier und Begeisterung teilen wir mit Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Lieferant*innen. Trotz allem Wandel ist es immer gut zu wissen, dass man auf den Erfahrungsschatz von älteren Generationen zurückgreifen kann.

Gibt es bei euren Angeboten und Dienstleistungen etwas, worauf ihr selbst am meisten den Fokus legt?

Marc Baumann: Unser Credo ist: Alles ist möglich und nichts ist unmöglich. Genau das leben wir im gesamten Team und deswegen gibt es auch so viele unterschiedliche Bezeichnungen für das, was wir sind: Privatkellerei, Weingut, Importeur, Private Label Partner, Lohnabfüller, Händler, Logistiker. Jede einzelne dieser Sparten bedingt wiederum die anderen. Unser Fokus liegt darauf, dass wir unseren Kund*innen ein Portfolio an Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Damit kommen wir unserem Ziel, der perfekte 360° Partner zu sein, sehr nahe. Wir sind der Problem- und Konzeptionslöser und zeigen viel Liebe zum Detail!